Der Basketballer Antwoine Anderson (26) absolviert am Samstag sein erstes Heimspiel mit Swiss Central. Er ist in einer rauen Gegend aufgewachsen.

Antwoine Anderson ist ein freundlicher Typ, der gerne und häufig lacht. Erzählt er aber von seiner Heimat, wird seine Stimme ruhig und matt. Der 26-Jährige ist in einem Umfeld aufgewachsen, das wir in der Schweiz nur aus Filmen und den Nachrichten kennen. In Rochester, einer mittelgrossen Stadt im Norden des Bundesstaates New York, gehört die Gewalt zum Alltag. «Schon 15- bis 16-jährige Kinder laufen mit Waffen durch die Gegend. Und alle kennen mindestens jemanden, der Opfer eines Gewaltverbrechens wurde», erzählt er.

Anderson versuchte stets, sich aus solchen Geschichten rauszuhalten. Statt nachts auf der Strasse herumzuhängen, verbrachte er «Stunden um Stunden» in der Sporthalle, um an seinem Spiel zu arbeiten. «Basketball war mein Weg raus.»

Erste Saison in Europa fand ein jähes Ende

Wenn er nicht mit seinen Mitspielern trainierte, verbrachte Anderson viel Zeit mit seinem Grossvater in der Halle. «Er hat mir die Gewinnermentalität vermittelt.» Opa sei bis heute sein grösster Kritiker, aber auch sein grösster Förderer gewesen. Obwohl es nach der erfolgreichen Highschool- und College-Karriere nicht zum grossen Sprung in die NBA reichte, unterschrieb Anderson im Sommer 2019 beim BBC Lausanne seinen ersten Profi-Vertrag. Nach einer erfolgreichen Saisonhälfte zog er sich im Januar 2020 in einem Cupspiel jedoch einen Kreuzbandriss zu. Damit fand seine erste Saison in Europa ein jähes Ende – und nicht einmal er selber wusste, ob er je wieder zurückkehren würde.

Doch nun ist er wieder hier. Nicht in Lausanne, sondern in der Innerschweiz. Der athletische Amerikaner übernimmt bei Swiss Central die Rolle des Spielmachers. Er sei dankbar für die zweite Chance, die er in Luzern erhalte. Die Schweizer Liga bezeichnet Anderson als «guten Start» in die Karriere. Denn natürlich weiss auch Anderson, dass der Basketballsport hier nicht besonders populär ist. Zudem ist er sich bewusst, dass SCB als Aufsteiger zu den Aussenseitern der Liga gehört. «Ich bin aber überzeugt davon, dass wir das Potenzial haben, Spiele zu gewinnen.» Er betont: «Sollten uns manche Teams auch nur ein bisschen unterschätzen, werden wir das sofort zu nutzen wissen.»

«Ich versuche, immer eine Show abzuliefern»

Ganz so einfach wird der 1,85 Meter grosse Point Guard jedoch nicht zu Korberfolgen kommen. «In Europa ist es schwieriger, zu punkten, als in Amerika», so Anderson. Das Spiel sei physischer, die Schiedsrichter würden mehr durchgehen lassen. Hinzu kommt, dass der Fokus der Verteidigung oftmals auf den amerikanischen Profis des Gegners liegt. «Ich werde mir jeden Punkt hart erarbeiten müssen», so der Linkshänder. Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – freut er sich auf das erste Heimspiel vom Samstag gegen Monthey-Chablais (18.30 Uhr, Staffeln). Dass er dabei nicht wie früher am College vor tausenden Fans, sondern vor einigen Hundert spielen wird, stört ihn nicht. «Egal ob 50 oder 5000 Leute in der Halle sind: Ich versuche, immer eine Show abzuliefern.»

Übrigens: Von seiner neuen Lebensumgebung weiss der Amerikaner nur Positives zu berichten. «Ich fühle mich sehr wohl hier.» Die Altstadt sei märchenhaft, die Leute sehr freundlich. Vor allem aber sei er froh, dass er sich keine Gedanken machen müsse, wenn er spazieren gehe. «Hier muss man sich keine Sorgen machen, dass plötzlich einer eine Waffe zückt. Dieses Gefühl ist neu für mich.»

Daniel Schriber