Mit seinem Coming-Out sorgte Marco Lehmann (27) dieses Jahr für Aufsehen – jetzt kehrt er zu Swiss Central zurück.
Die Überraschung ist gross: Nachdem Sie zwei Jahre nicht mehr in der Schweiz Basketball spielten, kehren Sie nun zu Swiss Central zurück. Wie kam es dazu?
Marco Lehmann: Für Aussenstehende mag die Nachricht überraschend kommen. Ich trainierte jedoch schon seit dem Frühling regelmässig mit dem Team. Wenn ich nicht gerade mit meinem 3×3-Team in der Welt herumreiste, stand ich häufig in Luzern in der Halle. Letztlich verspüre ich einfach grosse Lust, Basketball 5 gegen 5 zu spielen.
Was unterscheidet das klassische Basketball von der Disziplin 3×3?
In dieser Disziplin ist das Spiel viel schneller und physischer. Zudem ist der Ball im 3×3 kleiner, was zum Beispiel beim Wurf stark spürbar ist.
Was bedeutet Ihr Comeback in der Schweizer Meisterschaft für Ihr Engagement im 3×3?
Eine Bedingung war, dass ich weiter an den 3×3-Turnieren teilnehmen kann. Wenn ich mich mit meinem Team für ein Turnier irgendwo auf der Welt qualifiziere, kann es sein, dass ich für das eine oder andere SCB-Spiel nicht zur Verfügung stehen werde.
Welchen Eindruck haben Sie von Ihrem neuen Team?
Swiss Central verfügt über eine Tiefe wie wohl noch nie zuvor in der Geschichte des Vereins. Auch die Chemie und die Energie im Team sind super. Das sind optimale Voraussetzungen für eine erfolgreiche Saison.
Bei Ihrer letzten Station in der Schweiz spielten Sie mit Rekordmeister Fribourg Olympic im Europacup. Ist der Wechsel in die Zentralschweiz ein Rückschritt?
Fribourg war und ist das Mass aller Dinge in der Schweiz. Obwohl ich die Erfahrung nicht missen möchte, bin ich froh, nun wieder in der Deutschschweiz zu spielen. Zudem bin ich überzeugt, dass wir uns auch mit SCB nicht verstecken müssen.
Seit Ihrem Outing sind zehn Monate vergangen: Wie ist es Ihnen seither ergangen?
Seit dem 15. Januar, dem Tag meines Coming-Outs, ist extrem viel passiert. Es ist eindrücklich, wie viel Aufmerksamkeit das Thema erhielt. Die zahlreichen Feedbacks zeigten aber auch, dass es sich dabei um ein grosses Problem im Spitzensport handelt. Es besteht noch immer sehr viel Nachholbedarf.
Kürzlich gewannen Sie den Swiss Diversity Award für Ihr Engagement zugunsten der LGBTQ-Gemeinschaft. Werden Sie sich weiterhin für dieses Thema einsetzen?
Ja, ich werde aktiv bleiben. Ich tue das, um den Sportlerinnen und Sportlern zu helfen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden wie ich vor meinem Coming-Out. Ich betrachte es als eine Art Pionierarbeit, die mich wohl bis ans Ende meiner Karriere begleiten wird.
Was bedeutet es Ihnen, am Sonntag gegen Boncourt erstmals nach Ihrem Coming-Out vor Luzerner Publikum zu spielen?
Ich freue mich sehr darauf. Schon den ganzen Sommer über habe ich es sehr genossen, endlich mich selber sein zu können, ohne Doppelleben, ohne Versteckspiel. Endlich kann mein Freund an meinen Spielen dabei sein – und wir können ganz normal interagieren, wie wir es auch daheim tun würden. Das war vor dem 15. Januar 2021 leider undenkbar.
Interview Daniel Schriber