Der Hochdorfer Dario Cokara, 15, hat sich einen Platz in der U16-Nationalmannschaft erkämpft. Einst möchte er seinen Lebensunterhalt mit Basketball verdienen.
Daniel Schriber
Die Szenerie könnte idyllischer kaum sein. Die Sonne steht an diesem heissen Sommertag hoch über dem Seetaler Himmel, rund um das Kloster Baldegg herrscht Ruhe. Das einzige Geräusch, das zu hören ist, ist ein Basketball, der auf einem Sportplatz zuerst auf den Boden gedribbelt wird und anschliessend durch einen Korb gleitet. Immer und immer wieder. «200 bis 300 Würfe machen wir hier jeden Tag», sagt Josip Cokara, Vater von Dario. «Wir zählen aber nicht die Versuche, sondern die Treffer.» In Amerika sagen sie: «Count the makes», nur der Erfolg zählt. Dribbling, Wurf, zack. Und von vorn.
Dario Cokara absolviert die Würfe aus verschiedenen Positionen wie ein Routinier – so, als hätte er sein ganzes Leben nichts anderes gemacht. Und das stimmt ja eigentlich auch. Sein Vater hat auf hohem Niveau gespielt, war Profi in der Schweiz und in Österreich. «Seit ich krabbeln kann, hatte ich einen Ball in der Hand», sagt sein Sohn. «Und ich weiss nicht, wie viele Kinderkörbe ich verschlissen habe.» Irgendwann warf Dario seine Bälle nicht mehr nur im Hochdorfer Kinderzimmer, sondern in der Halle.

Schon mit sechs Jahren stand er regelmässig in der Halle, mit sieben spielte er für die U10-Mannschaft des STV Luzern, wo sein Vater als Jugendcoach aktiv war. Den 3,05 Meter hohen Korb erreichte er zwar nur mit grösstem Kraftaufwand, doch Dario verstand schon früh, worauf es in diesem Spiel ankommt. «Weil ich stets der Jüngste und Kleinste war, entwickelte ich relativ früh Spielintelligenz.» Von dieser profitiert er heute noch. Cokara ist Playmaker, Spielmacher. Heisst: Der 15-Jährige hat den Ball meistens in den Händen, er lenkt das Spiel, ist so was wie der verlängerte Arm des Trainers. «Ich organisiere gerne den Spielzug, kreiere aber auch meinen eigenen Wurf.»
«Ein paar Zentimeter dürften es noch werden»
Dass Dario Cokara Talent hat, erkannten sie in Luzern schon früh. Mit elf absolvierte er ein Probetraining für den regionalen Stützpunkt Swiss Central Basketball; wenig später spielte er bei SCB für die U13, bald darauf für die U15. Und wieder war er der Jüngste und Kleinste. «Das störte mich jedoch nie», sagt er, im Gegenteil. «So lernte ich, mich gegen stärkere und schnellere Gegner durchzusetzen.» Das ist bis heute so geblieben; auch wenn er mittlerweile nicht mehr ganz der Kleinste ist. Dank eines Wachstumsschubs misst der bald 16-Jährige nun immerhin 1,86 Meter. «Ein paar Zentimeter mehr dürften es noch werden», sagt er. Basketball ist und bleibt das Spiel der Riesen; gleichwohl ist Grösse gerade auf der Spielmacherposition längst nicht alles.
Sein Abgang kam nicht überall gut an
Und eben weil in dem Sport noch viele andere Qualitäten zählen, erhielt Dario Cokara vergangenes Jahr die Chance, sich dem nationalen Ausbildungszentrum des Schweizer Verbandes anzuschliessen. «Ich besuchte bereits seit einigen Tagen die Sportschule in Kriens, als plötzlich die Einladung aus der Westschweiz kam», erinnert er sich. Wenige Tage später packte Dario seine Sachen und verliess sein Zimmer zu Hause in Hochdorf, um in ein Internatszimmer in Lausanne zu ziehen. Auch wenn der kurzfristige Abgang bei Swiss Central nicht bei allen gut ankam, war und ist er überzeugt, die richtige Wahl getroffen zu haben.
Im «Centre National du Basketball Suisse» (CNBS), das im Jahr 2021 eröffnet wurde, trainieren die talentierten Spieler des Landes zweimal täglich unter professionellen Bedingungen – dazwischen drücken sie die Schulbank. «Mein Tag beginnt um 6.30 Uhr mit dem ersten Training und endet spätabends mit Hausaufgaben – da bleibt nicht viel Zeit für anderes», antwortet Dario auf genau diese Frage. An den Wochenenden tritt die CNBS-Auswahl zudem in der NLB-Meisterschaft an, wo es der Seetaler immer mit erfahrenen Gegnern und nicht selten mit amerikanischen oder europäischen Profis zu tun bekommt.
Nomination für die U16-Nationalmannschaft
Der Entscheid, in die Romandie zu gehen, hat sich für Dario ausgezahlt – und das nicht nur, weil er sein Französisch verbessern konnte. Als Mitglied des CNBS steht Dario im Fokus der Talentspäher. Es ist deshalb kein Zufall, dass Cokara diesen Sommer erstmals für die U16-Nationalmannschaft nominiert wurde. Derzeit befindet er sich mit der Equipe im Vorbereitungslager in Mazedonien, wo ab dem 8. August die U16-EM (Division B) stattfindet. Ob Cokara mitspielen kann, weiss er erst kurz vor Turnierstart: Zwei Spieler aus dem erweiterten Kader werden vorzeitig ihre Heimreise antreten müssen. «Die Nomination für das erweiterte EM-Kader ist mein grösster Erfolg bisher», sagt der Seetaler.
Am Ziel ist Dario Cokara damit aber noch lange nicht. Das Talent möchte irgendwann seinen Lebensunterhalt mit Basketball verdienen – am liebsten in Amerika oder in einer europäischen Spitzenliga. «Zudem wäre es genial, wenn ich die Nomination für die U19-Weltmeisterschaft schaffen würde, die nächstes Jahr in Lausanne stattfinden wird.» Er wäre an dem Turnier wohl einmal mehr der Jüngste und einer der Kleinsten – aber wen kümmert’s?